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Nils Lüke

Was motiviert, eine lokale Onlineplattform zu betreiben?

Studie zu Typen und Betreibercharakteristika lokaler Onlineplattformen in Deutschland

Lokale Online-Plattformen (LOP) können durch den Zusammenschluss lokaler Einzelhändler und weiterer Innenstadt-Akteure einen Ansatz zur Stärkung der Innenstadt und urbanen Quartieren darstellen. Der erzeugte digitale Marktplatz eröffnet den partizipierenden Händlern und Dienstleistern, die bspw. keinen eigenen Online-Auftritt oder keine digitale Warenwirtschaft besitzen, die Möglichkeit, ihr alltägliches Geschäft um Aspekte der Digitalisierung zu erweitern und damit lokale Kunden auch über digitale Medien anzusprechen.

Im Verbundforschungsprojekt smartmarket² wird u.a. ein Demonstrator einer solchen Plattform entwickelt, welche neuartige standortbezogene Dienste ermöglicht.

Studie

Inzwischen existieren in Deutschland eine Vielzahl kommunaler und lokaler Onlineplattformen mit ganz verschiedenen Foci und Wertangeboten (für eine Übersicht siehe bspw. https://ccec-online.de/lokaleshoppingplattformen/).  Doch welche Motivationen haben die Betreiber solcher LOP?

Im Rahmen seiner Bachelorarbeit hat sich Nils Lüke (Student der WWU Münster) mit den Motivationen und Zielen der Betreiber solcher Plattformen auseinandergesetzt. Für die Studie wurden 102 Betreiberinnen und Betreiber von LOP in Deutschland kontaktiert, von welchen 28 an einer Online-Befragung teilgenommen haben. Unvollständige Datensätze wurden gefiltert, sodass der finale Datensatz die Antworten von 21 Entscheiderinnen und Entscheidern deutscher LOP beinhaltet. Die Mehrheit dieser LOP wird von eigens zum Betrieb der LOP gegründeten Unternehmen betrieben. Ebenso finden sich sieben städtische Institutionen wie Wirtschaftsförderung oder Stadtmarketing als Betreiber wieder. Zwei Verlage erweitern ihre Geschäftsfelder um eine LOP sowie ein Softwarehaus.

Motivation zum Betrieb einer LOP

Das oberste Ziel der Plattformbetreiber ist die Förderung der Innenstadt, auf welche sich eine LOP bezieht. Dazu gehören neben der Belebung der Innenstadt eine Erhöhung der Kundenfrequenz und die Gewinnung von Neukunden für die lokalen Händler und Dienstleister. Zusätzlich erhofft sich ein Großteil der Befragten einen positiven Effekt für das Image der jeweiligen Stadt.

Es zeigt sich, dass die Generierung von Einnahmen lediglich zweitrangig forciert wird. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass dieses Ziel ausschließlich von Verlagshäusern und Drittanbietern angestrebt wird. Städtische Institutionen, die ebenfalls häufig als Betreiber einer LOP auftreten, verstehen diese nicht als Einnahmequelle. Zusätzlich zeigt sich, dass die Förderung des Arbeitsmarktes, die Ausnutzung von Gewerbeflächen und das Werben für lokale Produkte nur für wenige Betreiber eine entscheidende Motivation darstellt.

Die Befragten haben zudem ganz unterschiedliche Vorstellungen für die Zukunft ihrer LOP. Ein Großteil der Befragten strebt zwar eine Etablierung der LOP im lokalen bzw. regionalen Umfeld an, einzelne Betreiber sehen ihre Plattform jedoch zukünftig durch eine nationale oder sogar europäische Ausweitung der Kundengruppen als Konkurrenz zu bekannten Internetriesen wie z. B. Amazon. Gegensätzlich dazu kann festgehalten werden, dass auch Betreiber existieren, die kein Bestehen ihrer Plattform für die Zukunft erwarten. In diesem Zusammenhang kann auf bereits erfolgte Schließungen einzelner LOP hingewiesen werden.

Klassifikation von LOP

Im Rahmen der Studie wurden neben Betreibermotivationen auch Aspekte der Geschäftsmodelle und Betreibercharakteristika der LOP abgefragt. Aus den Antworten lassen sich sechs Klassen von LOP identifizieren:

Als Selbstständiger Online-Absatzkanal können jene Plattformen bezeichnet werden, die eine erhöhte Unabhängigkeit in Bezug auf die Bereitstellung von Schlüsselressourcen und die Ausführung von Schlüsselaktivitäten aufweisen und über einen Online-Shop verfügen. Insgesamt werden dazu wenige Partnerschaften eingegangen von welchen nur geringfügig Mittel bezogen werden. Die LOP werden allesamt von Drittanbietern geführt. Die Betreiber streben eine Förderung der Innenstadt und des Arbeitsmarktes bei gleichzeitiger Imagewerbung für die Stadt an. Für die Zukunft wird die Etablierung als Online-Absatzkanal gesehen. Einnahmen werden vorrangig über Nutzungsgebühren für Geschäftskunden generiert.

LOP, die ebenfalls über einen Online-Shop verfügen, aber für den Betrieb ihrer Plattform mit diversen externen Institutionen kooperieren, können unter der Klasse der Vernetzten Online-Absatzkanäle zusammengefasst werden. Betrieben werden diese LOP ebenfalls ausschließlich durch Drittanbieter, welche neben der Förderung der Innenstadt ebenfalls die Generierung von Einnahmen anstreben. Als zukünftiges Ziel wird gleichermaßen die Etablierung als Online-Absatzkanal angegeben. Die umfangreichen Kooperationen spiegeln sich in diversen Partnerschaften, z. B. zu den lokalen Unternehmen, Werbepartnern, Geldgebern, Softwareanbietern und vereinzelt zudem zu Logistikdienstleistern wider. Aus dieser Vielzahl an Partnerschaften werden diverse Ressourcen bezogen und viele Aktivitäten werden durch Partnerunternehmen ausgeführt. Die LOP dieser Klasse verbindet außerdem der Erhalt initialer Förderungen bzw. Investitionen.

Unter dem Begriff Städtisches Informationsmedium lassen sich alle LOP zusammenfassen, die durch städtische Institutionen geführt werden und primär die Förderung der Innenstadt und des Arbeitsmarktes sowie positive Imagewerbung für die zugehörige Stadt verfolgen. Für die Zukunft lässt sich kein klares, allgemeingültiges Ziel definieren. Die Mehrheit der LOP wünschen sich eine lokale bzw. regionale Etablierung ihrer Plattform als Informationsmedium. Andere jedoch sehen für ihre Plattform bspw. keine Zukunft und prophezeien aus diesem Grund bereits eine baldige Abschaltung. Die LOP dieser Klasse beziehen sich auf eine einzige Stadt, weshalb sich das Angebot in Form von zahlreichen Informationen ausschließlich auf die lokal bzw. regional ansässigen Händler, Dienstleister und Endkunden bezieht. Die Generierung von Einnahmen ist für die städtischen Institutionen unwesentlich.

Als Stadtbezogenes Informationsmedium durch Drittanbieter können LOP bezeichnet werden, die durch Drittanbieter geführt werden und sich als Informationsmedium ausschließlich auf eine Stadt beziehen. Grundsätzlich ist das Geschäftsmodell dieser Plattformen mit dem der vorherigen Klasse vergleichbar. Eine Abgrenzung lässt sich durch die Betrachtung der Betreibercharakteristika vornehmen. Für die Drittparteien steht neben der Förderung der Innenstadt und der Imagewerbung zudem die Generierung von Einnahmen im Vordergrund. Die Betreiber der LOP dieser Klasse wollen sich als Informationsmedium etablieren und über die teilnehmenden Händler und Dienstleister Einnahmen in Form von Abonnements und Nutzungsgebühren erzielen.

Stadtunabhängige Informationsmedien durch Drittanbieter richten ihr Wertangebot and verschiedene Städte und agieren damit auf nationaler Ebene. Sie werden ebenfalls durch Drittanbieter geführt und verfolgen ähnliche Ziele wie die Betreiber der vorherigen Klasse. Die zugehörigen LOP kreieren digitale Schaufenster für verschiedene Städte bzw. Regionen und bedienen damit national Händler, Dienstleister und Endkunden. Ansonsten entspricht das Geschäftsmodell weitestgehend denen der vorherigen beiden Klassen. Einnahmen werden dabei ebenfalls durch periodische Gebühren gegenüber Händlern und Dienstleistern generiert.

Informationsmedien mit Wachstumsintention heben sich durch die Entwicklungsabsicht ihrer Betreiber ab. Zwar entspricht das derzeitige Geschäftsmodell der Informationsmedien denen der bereits vorgestellten Informationsmedien, jedoch planen die Betreiber dieser LOP eine Ausweitung ihres Wertangebots hin zu einem Online-Absatzkanal. Geführt werden die zugehörigen LOP entweder von Drittanbietern oder Verlangen, die allesamt eine Förderung der Innenstadt, die Generierung von Einnahmen und Imagewerbung beabsichtigen. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt generieren die LOP dieser Klasse Einnahmen sowohl über die teilnehmenden Händler und Dienstleister als auch über die Endkunden. Dies geschieht mit Hilfe von Nutzungsgebühren und Provisionen.

Am Ende dieses Artikels finden Sie die vollständige Klassifikationstabelle als PDF zum Download.

Zusammenfassung

Im Hinblick auf das Geschäftsmodell zeichnen sich zwei Oberklassen ab: Diejenigen Plattformen, die über einen Online-Shop verfügen und diejenigen Plattformen, die ausschließlich ein Informationsmedium darstellen. In Bezug auf die einzelnen Aspekte der Geschäftsmodelle existieren teils verschiedene Ausprägungen, z. B. pflegt eine LOP eine Partnerschaft zu Werbepartnern, während eine andere LOP mit Softwareanbietern kooperiert. Klare Abgrenzungen sowie Gruppierungen lassen sich daraus jedoch nicht zwangsläufig ermitteln. Stattdessen sorgt die Betrachtung der Betreibercharakteristika in Form von Institution, Motivation und Zukunftsvision der Plattformbetreiber für eine eindeutigere Abgrenzung der in großen Teilen übereinstimmenden Geschäftsmodelle.

Die Bachelorarbeit wurde von Marco Niemann, Jan Betzing und Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Jörg Becker an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster betreut. 

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Abbildung: Pixabay